Was soll ich tun?

Abschrift meines auf Youtube erschienenen Videos über die Frage "Was soll ich tun?":

„Was soll ich tun?“, ist eine Frage, die der Philosoph Immanuel Kant vor einiger Zeit aufgestellt hat. Er verwendete sie, soviel ich weiß, in seinem ethischen Diskurs.

Bitte vergessen wir einmal, wer sie aufgestellt hat. Vergessen wir, dass es eine philosophische Frage sein kann. Vergessen wir, dass es eine ethische Fragestellung sein kann.

Fangen wir lieber selber mal am Anfang an und nehmen ein Blatt Papier zur Hand und beantworten kurz die Frage selber:

„Was soll ich tun?“

Gar nicht so leicht zu beantworten, oder doch? Was haben Sie geschrieben? „Ich soll Gutes tun“, oder „Ich soll tun, wofür ich hier auf der Welt bin“, oder „Ich soll tun, was man mir sagt!“ oder „Ich soll tun, was ich tun soll“, oder „Ich soll tun, was ich tun will“?

Oder haben Sie die Frage auf mich bezogen und haben Sie geschrieben: „Patrick, du sollst tun, was du willst!“, oder „Patrick, wie soll ich dir sagen können, was du tun sollst“?

Egal, was Sie geschrieben haben, beantworten Sie bitte jetzt folgende Frage:

„Warum soll ich das tun?“

Und jetzt wird’s schwierig. Sie müssten jetzt eine Antwort geben können, die logisch wirklich zwingend ist. Eine Antwort, die Sie oder mich wirklich sagen lässt: „Ja, stimmt, das soll ich tun!“

Ich stelle jetzt mal die Hypothese auf, dass das nicht geht, und zwar aus folgenden Gründen:

Woher soll ich selber wissen, was ich tun soll? Weiß ich immer, was gut für mich ist? Die meisten würden antworten mit „nein“. Wir schaden uns täglich selber, wenn wir uns Zigaretten anstecken oder Süßigkeiten essen. Nicht einmal unsere Regierungen glauben, dass wir selber wissen, was gut für uns ist, indem sie Glücksspiel eindämmen versuchen oder bestimmte Gesetze für unseren eigenen Schutz erlassen. Vor allem: Wo hab ich einen Anknüpfpunkt? Vielleicht war ja alles, was ich bis jetzt getan habe, schlecht für mich? Und vor allem, warum sollte ich immer Sachen tun, die gut für mich sind? Wäre es nicht vielleicht besser, Dinge zu tun, die für mich schlecht sind, aber für andere gut?

Man könnte sagen, „Folge deinen Gefühlen“, aber können die nicht auch täuschen? Warum sollten meine Gefühle besser als ich wissen, was ich tun soll? Vielleicht sagen meine Gefühle zum Beispiel: „Iss diese leckere Torte“. Aber warum soll ich das tun?

Man könnte sagen: „Tu, was du immer getan hast!“. „Warum soll ich das tun?“. Woher weiß ich, dass das, was ich immer getan habe, sinnvoll ist? Warum soll ich immer Sinnvolles tun? Und wer sagt, dass das was ich gestern tun sollte, ich auch heute tun soll?

Mann könnte sagen: „Du sollst deinen nächsten behandeln, wie du selber behandelt werden möchtest“. „Warum?“. „Weil das Gottes Gebot ist!“. Na und? Wenn es Gottes Gebot ist, aus dem Fenster zu springen, soll ich das auch tun? Warum soll ich Gottes Gebote befolgen? Woher weißt du Gottes Gebote? Warum hat Gott sie dir gesagt, und nicht mir? Vielleicht, weil ich sie nicht befolgen soll? Oder auch wenn er sie mir gesagt hat, warum soll ich sie befolgen?

Man könnte sagen: „Denk nicht zuviel nach!“. Aber ist das die Lösung? Rausgehen, und ohne Nachzudenken etwas tun? Oder einfach liegen zu bleiben im Bett und nichts zu tun? Warum soll ich das tun? Warum soll ich deinen Rat befolgen, woher weißt du, was ich tun soll? Warum ist nachdenken schlecht?

Man könnte sagen: „Tu was du willst!“. Aber warum ist mein Wille Maßstab dafür, was ich tun soll? Dann tu ich ja eben nicht, was ich tun soll, sondern was ich tun will. Da ist doch ein Unterschied. Und: Warum soll ich tun, was ich tun will? Wer sagt das? Vielleicht will ich nicht tun, was ich tun will? Vielleicht soll ich nicht tun, was ich tun will? Warum soll ich tun, was ich will und nicht zum Beispiel, was mein Nachbar will?

Man könnte sagen: „Tu irgendwas!“. Irgendwas? Warum soll ich irgendwas tun? Und wieder, wie kannst du mir sagen, was ich tun soll?

Man könnte folgern: „Du hast Recht, man kann das eh nicht beantworten, also soll man sich gleich umbringen!“. Warum soll man sich umbringen? Das gibt doch auch keine Antwort auf die Frage „Was soll ich tun?“.

Vielleicht ist das ganze nicht auf logische Art und Weise zu finden. Vielleicht auf unlogische? Aber wie, und vor allem: Warum sollte eine unlogische Antwort eine bessere sein als eine logische? Ich soll eine unlogische Antwort auf die Frage „Was soll ich tun?“ geben? Warum? Hier drehen wir uns im Kreis.

Man könnte sagen: „Du sollst Leuten helfen!“. Warum? Weil helfen gut ist! Aber warum soll ich Gutes tun und nicht Schlechtes? Und wie weiß ich, ob ich jemandem helfe? Leute sagen dir, du hast ihnen geholfen, wenn es ihnen besser geht. Aber woher wissen diese Leute, was sie tun sollen? Warum sollen sie glauben, dass es ihnen besser gehen soll? Warum soll es ihnen besser gehen? Warum nicht schlechter? Warum soll es mir besser gehen und nicht schlechter?

Und so weiter…

Okay, hier kommen wir nicht weiter. Lassen wir die Frage unbeantwortet? Aber das ist doch irgendwie ein Problem. Wenn wir die Frage „Was soll ich tun?“ unbeantwortet lassen, woher wissen wir, was wir tun sollen? Tun wir wieder irgendwas? Was tun wir? Was ist der nächste Schritt? Wohin gehen wir? Machen wir das, was wir jeden Tag gemacht haben? Warum?

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