Bedürfnisbefriedigung, Ressourcenknappheit und Welthunger

Was ist überhaupt ein Gut? 

Ein Gut ist ein Etwas, das einen Dienst für mich erfüllt. Ich kaufe mir ein Auto, weil ich wo hin möchte. Ich kaufe mir einen Kochtopf, weil ich kochen möchte. Ich kaufe mir etwas zu Essen, weil ich mein Hungergefühl stillen möchte. Ich kaufe mir Gewand, weil mir kalt ist. Ich miete eine Wohnung, weil ich wohnen möchte. Ich kaufe mir Gold, weil ich denke, es in Zukunft wieder in Geld tauschen zu können und so vorsorgen zu können. Ich kaufe mir eine goldene Uhr, weil ich mir erkaufe, dass Leute sehen, dass ich viel Geld ausgeben kann. Also ist ein Gut zunächst nur eine Bedürfnisbefriedigung oder eine Dienstleistung, die oft an einen Stoff gebunden ist. Es ist ein Werkzeug, ein Mittel zum Zweck. Ich kaufe den Gegenstand, weil er das und das (Hunger stillen, Transport, Wärme, Prestige,…) für mich leistet. Oder zumindest muss ich glauben, dass der Gegenstand das für mich leistet. Leistet der Gegenstand diesen Nutzen jedoch nicht für mich, so kaufe ich ihn nicht. Und, oft auch beeinflusst durch Werbung, wurde das zugrundeliegende Bedürfnis erst bei mir geweckt – keine Frage.

Nun muss man sehen, dass die selben Bedürfnisse durch unterschiedliche Waren und Wege erfüllt werden können. Das Bedürfnis nach Wärme kann ein Mantel leisten. Ich kann auch drei Pullover übereinander anziehen. Ich kann mich in eine Decke einwickeln. Ich kann aber auch einen Heizstrahler aufstellen oder zuhause die Heizung anstellen. Oder ich kaufe eine Flasche Schnaps, trinke sie und spüre ein Wärmegefühl in mir. Oder ich bewege mich einfach mehr und wärme mich so auf.

Das Bedürfnis nach Ortsveränderung lässt sich durch ebenso viele verschiedene Waren erfüllen. Ich kann ins Auto steigen. Ich kann ein Taxi nehmen. Auch der Zug oder das Flugzeug sind Möglichkeiten. Daneben gibt es noch das Fahrrad, das Schiff, man geht zu Fuß, nimmt den Bus oder gar das Skateboard.

Umgekehrt haben Waren auch für unterschiedliche Menschen unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten. Bei Rohstoffen ist das besonders deutlich. Ob Gold verwendet wird, um in die Zähne eingesetzt zu werden, oder um zum Funktionieren eines Mobiltelefons beizutragen, ob man einen Bilderrahmen vergoldet, weil er schöner aussieht, oder ob man es nur zuhause liegen hat weil man denkt, dass man später wieder Geld dafür bekommen könnte, immer sind es unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten für ein und das selbe Metall und damit unterschiedliche Kaufgründe.

Wird Eigentum überbewertet?

Zugegebenermaßen ist in unserer heutigen Zeit das Eigentum an dem betreffenden Gegenstand sehr wichtig. Wir wollen die Ware für die Bedürfnisbefriedigung. Das Eigentum, das uns die alleinige Verfügungsmacht darüber gibt, scheint das besonders gut zu unterstützen. Ich möchte mit dem Auto transportiert werden, wann ich möchte und mich nicht nach jemandem anderen richten müssen. Habe ich Eigentum über den Gegenstand, so scheint mir das die Sicherheit zu geben, jederzeit das Bedürfnis erfüllen zu können.

In letzter Zeit ist jedoch ein Trend zu beobachten, dass Viele von diesem Eigentumgedanken wieder abrücken und zu Share-Konzepten wechseln. Car-Sharing ist nur eine Variante davon. Der Vorteil: Eigentum kann auch belasten. Ich muss mich darum kümmern. Ich muss es erhalten. Ich muss mich um Neubeschaffung und Entsorgung kümmern. Wenn ich die Dienstleistung des Transportes einkaufe, dann muss ich das alles nicht. Mein Dienstleister ist bemüht, die Kosten zu senken. Er kann leichter neue Modelle zu Verfügung stellen. Er wartet die Fahrzeuge. Er kümmert sich um viele rechtliche Angelegenheiten usw. Die neu aufkommenden Share-Modelle zeigen lassen das Augenmerk wieder weg vom Eigentumgedanken am Gut selber, hin zur Bedürfnisbefriedigung mit Hilfe des Gegenstandes rücken.

Eine Ware kaufe ich also, weil sie ein Bedürfnis befriedigt, und sei es auch nur ein durch Werbung gewecktes Bedürfnis nach Prestige. Die Bedürfniserfüllung selber ist jedoch an keinen besonderen Stoff gebunden. Daher gilt: Ein Mehr an Bedürfnisbefriedigung muss nicht mit einem Mehr an Ressourcenverbrauch einhergehen! Oft ist es so, aber es hängt nicht zwingend zusammen!


Wie ist das mit der Ressourcenknappheit?

Die Vorstellung der Ressourcenknappheit geht davon aus, dass ein Bedürfnis nur durch ein Gut erfüllt werden kann. Wenn mehr Menschen dieses Bedürfnis erfüllen wollen, müssen mehr dieser Güter hergestellt werden. Wenn mehr Menschen das Bedürfnis nach Individualverkehr erfüllt haben wollen, müssen mehr Autos hergestellt werden. Dabei kann genauso gut bereits oben erwähnte Mittel wählen, muss also nicht zwingend mehr Ressourcen verbrauchen. Wirtschaftswachstum ist hier ein irreführender Begriff.

Nur darf man nicht umgekehrt in die Falle tappen zu glauben, Ressourcenknappheit wäre gar kein Problem. Die neoliberale Theorie geht in vielen Punkten nämlich so weit zu sagen, dass eine Verknappung der Ressourcen kein Problem sei, weil dann einfach die Preise für dieses Gut höher würden. Man muss aufpassen, dass man hier nicht Dinge vermischt. Erstens ist ein Zusammenhang zwischen Preisen, welche immer das Geldsystem und damit das Verteilungssystem der Menschen betreffen, und tatsächlicher vorhandener ökologischer Knappheit, nicht eindeutig. Am letzten Tag, bevor der Teich leer gefischt ist, kann noch so viel gefangen werden wie nie zuvor und der Preis für den einzelnen Fisch ist dementsprechend niedrig. Doch am nächsten Tag ist gar kein Fisch mehr da und damit auch kein Preis mehr, weil niemand mehr Fische kaufen kann. Es wäre ökologisch und nachhaltig gesehen fatal zu sagen: Na gut, wenn es keine Fische mehr gibt, erfüllen wir unseren Nahrungsbedarf halt mit Rindfleisch. Klar, das Bedürfnis kann durch ein anderes Gut erfüllt werden. Doch die Auslöschung von Lebensräumen, die Ausrottung von Spezies und das Zunichtemachen wichtiger Ressourcen ist ökologischer Wahnsinn und sollte keinesfalls durch Hinweis auf die Substituierbarkeit des Bedürfniserfüllungsmaterials gerechtfertigt werden. Zweitens bedeutet eine Preiserhöhung, dass Arme durch den Rost fallen. Zu sagen, das wäre egal, sollen sie doch Kuchen essen, wenn sie sich das Brot nicht mehr leisten können, ist purer Zynismus.

Mehr Umsätze ist nicht gleich mehr Ressourcenverbrauch

Unser Geldsystem zwingt durch seinen Verschuldungszwang zu Mehr. Aber zu mehr Umsätzen. Ich kann Umsätze auf zwei Arten erhöhen: Entweder ich verkaufe mehr, oder ich verkaufe teurer. Aber dieses Mehr kann auch bedeuten, dass ich von mehr Menschen das Bedürfnis befriedige. Dazu muss ich, wie oben erwähnt, nicht unbedingt mehr Ressourcen verbrauchen. Und selbst wenn, dann nicht mehr von der selben Ressource. Mehr Umsätze bedeuten eben mehr oder höherwertige Geldtransaktionen und nicht zwingend mehr Ressourcenverbrauch.

Ein Produkt muss nicht an einen Stoff gebunden sein, weil es nur eine Dienstleistung IST! Ich kann nun die Dienstleistung auch durch Menschen erfüllen lassen. Das ist jedoch klassisch nur ökonomisch sinnvoll, wenn der Mensch an sich nicht teurer ist als die Produktion einer Maschine. Wenn es billiger ist, einen Menschen zu bezahlen der meinen Rasen schneidet, als einen elektrischen Rasenmäher zu kaufen, so ist es finanziell klüger, den Menschen einsetzen. Also kann das Mehr an Umsätzen auch ein Mehr an Dienstleistungen bedeuten.

Welche Bedürfnisse sollen erfüllt werden?

Man sollte immer fragen: Welcher Dienst wird erfüllt? Welche Knappheit wird geschaffen, welche wird behoben? Ist es mir wichtiger, dass ich mich schneller verbinden kann mit immer mehr Menschen? Oder dass niemand mehr an Hunger leidet? Angenommen, uns wäre es wichtig, dass kein Mensch mehr verhungern muss auf dieser Welt. Angenommen, wir würden uns nicht jedes Jahr ein neues Handy besorgen, sondern dieses Jahr darauf verzichten und das Geld in Lebensmittellieferungen in die so genannte dritte Welt stecken. Angenommen, der Umsatz von Apple, Samsung, Nokia , Sony Ericsson und LG ginge komplett in Umsätze von Unternehmen, die Essen an die Hungrigen der Welt gratis verteilen. Das wären insgesamt um die 400 Milliarden USD! Das würde reichen, um die Hungrigen dieser Welt für 36 Jahre zu versorgen. Wir hätten keinen Hunger mehr auf dieser Welt. Aber uns ist es wichtiger, Unterhaltung in Form elektronischer Geräte zu kaufen, als Welternährung.

(Umsatz Apple ~156 000 000 000 USD lt. http://de.wikipedia.org/wiki/Apple 
+ Umsatz Samsung Electronics ~143 000 000 000 USD lt. http://de.wikipedia.org/wiki/Samsung_Electronics 
+  Umsatz Nokia ~39 000 000 000 Dollar zum derzeitigen Wechselkurs und lt. http://en.wikipedia.org/wiki/Nokia 
+ Umsatz Sony Ericsson ~5 000 000 000 USD lt. http://en.wikipedia.org/wiki/Sony_ericsson)
+ Umsatz LG Electronics ~48 000 000 000 USD lt. http://en.wikipedia.org/wiki/LG_Electronics
= ~ 400 Milliarden USD

tägliche Kosten für die Ernährung der Hungrigen: ~ 30 000 000 USD/Tag lt. http://www.stopthehunger.com/ zum Zeitpunkt der Artikelerstellung, 

400 Mill. dividiert durch 30 Mio = 13333 Tage = ~36 Jahre!).  

Das Problem ist sicherlich auch: Der Nutzen eines Gutes, der mir zufällt, kann sofort beurteilt werden. Das Handy funktioniert, oder es funktioniert nicht. Wenn ich Essen für jemanden in Afrika kaufe, kann ich schwer bis gar nicht überprüfen, ob es tatsächlich dort ankommt und ob es tatsächlich auf ein Bedürfnis dort trifft, oder ob es überhaupt gewollt war. Die Bedürfnisbefriedigung eines anderen Menschen, und noch dazu wenn er sehr weit weg ist, ist nur schwer zu beurteilen. Dennoch: Wir könnten das Mehr und Schneller, dem unsere Welt nicht zuletzt durch unser Geldsystem unterworfen ist, auch dazu nützen, um den Hunger aus der Welt zu schaffen. Bisher wollten wir das nicht und waren uns dem eventuell gar nicht bewusst. Das Bedürfnis nach Welthungerbeseitigung war uns noch nicht groß genug.

Fazit: 

Ein Mehr muss nicht ein Mehr an Ressourcenverbrauch sein. Insbesondere dann nicht, wenn mehr Waren nur bedeutet, dass mehr Bedürfnisse befriedigt werden und dafür mehr gezahlt wird. Wir müssen uns vom Gedanken verabschieden, dass eine Ware immer nur stofflich gebunden sein muss und unser Augenmerk auf das Bedürfnis richten, das die Ware uns erfüllt. Zu dieser Befriedigung muss ich nicht auf Ressourcen zurückgreifen, sondern kann auch Dienstleistungen effizient verwenden. Voraussetzung ist, dass wir vom Eigentumsgedanken loslassen. Ein Mehr an Umsätzen bedeutet eben nicht, dass mehr der Natur entnommen werden muss. Hier intelligente Lösungen zu finden, ist eine der Aufgaben der Zukunft: Wie kann das selbe Bedürfnis erfüllt werden, ohne dass dabei Abfall, Verschmutzung und Artensterben entstehen? Welche Dienste dann getätigt werden, hängt mit unseren Wünschen und Bedürfnissen und anschließend von unseren Kaufentscheidungen zusammen. Wünschen wir uns dieses Jahr ein neues Handy, oder eine hungerfreie Welt? Diese Entscheidung treffen wir, also du und ich, heute. Und morgen. Und übermorgen.

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